Hannah Black: Wheel of Fortune
18. September – 29. Oktober 2021
Eröffnung: 17. September 2021, 12–18 Uhr, COVID-Zertifikat obligatorisch
gta Ausstellungen, ETH Zürich
What happens to me is for me / what happens to me is form.
Die Ausstellung konzentriert sich auf die Trope des Glücksrades, die schon in der Antike beliebt war und im mittelalterlichen Europa als ambivalentes Bild sowohl für die Klassenherrschaft als auch für das scheinbar teilnahmslose Wirken des Zufalls/Schicksals entwickelt wurde. Auf Hannah Blacks Glücksrad ist REDIVIDER zu lesen, ein Palindrom, das darauf hinweist, wie das Kapital soziale Spaltungen und Neuaufteilungen entlang von Ungleichheitsachsen wie Klasse oder Race vorantreibt. Die gegenwärtige Atmosphäre vermittelt das Gefühl eines sich wild drehenden Glücksrades. Der Zufall ist das, was Gott am nächsten kommt. Doch hier ist die Bewegung des Rades durch seine unmittelbare Umgebung bestimmt.
Mit jeder Umdrehung wird ein anderes Objekt im Raum aktiviert: Eine Skulptur aus lokalen Baumaterialien (basierend auf einer Installation der Sharjah Biennale 2018, die in Zusammenarbeit mit Ebba Fransén Waldhör entstand) erhält ein Gesicht/wird subjektiviert; ein Drucker bringt ein zufällig generiertes Bild hervor; eine GameStop-Werbung verweist auf die Aufwertung des Zufalls durch das Finanzwesen und drei traditionelle Glücksräder aus Holz sind in einem kürzlich wiederentdeckten Pavillon der Architektin Berta Rahm installiert (ein fester Bestandteil des Ausstellungsraums). Das Licht hinter dem Glücksrad fällt auf polizeiliche Unfallberichte, die auf den Geburtstag der Künstlerin in verschiedenen Jahren datiert sind. Auch wenn die Werke in der Ausstellung ein weitgehend durch Machtmechanismen geprägtes Schicksal suggerieren, deutet der Sand auf dem Boden, der durch die Besuchenden im Raum verteilt wird, ein unkontrollierbares Element an. So entzieht sich auch ihre An- beziehungsweise Abwesenheit der Kontrolle der Künstlerin.
Die Vorherrschaft der Astrologie als soziales und politisches Instrument in der antiken Welt verwandelte den Zufall (Geburt) in Schicksal (Bestimmung) und wurde schließlich durch die christliche Vorstellung vom menschlichen Handlungsspielraum beschränkt auf Sünde und Erlösung abgelöst. Ausgehend von Cedric Robinsons Beobachtung, dass der Kapitalismus nicht zufällig in einem rassistisch strukturierten Europa entstand, können wir uns vorstellen, dass das Glücksrad eine individualisierte und gleichzeitig klassenbezogene Herangehensweise an die Frage des Schicksals vorschlägt und den Boden für spätere Formen der Herrschaft bereitet. Heute mobilisiert der Kapitalismus den Zufall in den algorithmischen Bewegungen der Finanzmärkte und durch die Gewinnung von Werten selbst aus den wildesten Zufällen, wie z. B. der Klimakatastrophe. Und doch verändern unsere Handlungen den Kontext, in dem wir uns befinden.
In Zusammenarbeit mit schwarzescafé, Luma Westbau präsentiert die Künstlerin die gleichzeitig stattfindende Ausstellung Clemens, Jack, Ramey, Raymond, Sam.
Fotos: Nelly Rodriguez