Life, Without Buildings
16. März – 20. Mai 2022
Eröffnung: Dienstag, 15. März 2022
Künstler:innengespräch: 18 Uhr, Alumni Lounge, ETH Zürich, Hönggerberg
Mit Andreas Angelidakis, Doruntina Kastrati, Aristide Antonas und Ahlam Shibli, moderiert von Barbara Casavecchia
Bas Jan Ader, Andreas Angelidakis, Aristide Antonas, John Berger und Jean Mohr, Miriam Cahn, Peter Friedl, David Harding, Edi Hila, Doruntina Kastrati, Ibrahim Mahama, Anna Molska, Ahlam Shibli, Tercerunquinto, Yannis Tsarouchis, Allyson Vieira
"In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?" – fragt Bertolt Brecht in seinem Gedicht "Fragen eines lesenden Arbeiters" (1935). Life, Without Buildings knüpft an das gleichnamige Seminar an, das Adam Szymczyk 2021 an der ETH Zürich abhielt und in dem Möglichkeiten eines Lebens jenseits der architektonischen und infrastrukturellen Enge einer gebauten Umwelt erkundet wurden. Der Titel des Seminars wurde durch den Namen der Glasgower Band Life Without Buildings (aktiv zwischen 1999 und 2002) inspiriert und reflektiert die Forderung von Superstudio nach einem "Life Without Objects" – einer Anarchitektur der Unbegrenztheit, einem vom Design befreiten Leben.
Life, Without Buildings denkt Architektur vor dem Hintergrund zeitgenössischer Bedingungen und bezieht Themen wie Arbeit, Vertreibung und Obdachlosigkeit mit ein, die in der architektonischen Praxis sowie in der Geschichte und Theorie der Architektur nur allzu oft marginalisiert werden, wodurch lediglich ein grösseres Muster des entpolitisierten Lebens im neoliberalen Zeitalter reproduziert wird. Und doch bestimmt das “Unheimliche”, die plötzliche Erkenntnis, dass das Leben grundsätzlich aus den Fugen geraten, ohne feste Parameter und in Gefahr ist, unsere Gegenwart, die unwiederbringlich durch den russischen Einmarsch in der Ukraine geprägt ist. Ein Krieg, der uns alle betrifft und der Titelfrage von Josep Lluís Serts Pamphlet über die Entwicklung der modernen Stadt von 1942 eine neue Bedeutung verleiht: Können unsere Städte überleben?
Einige der vertretenen Künstler:innen haben eine Ausbildung zu Architekt:innen, andere nicht. Sie sind Künstlerinnen und Schriftsteller, Designer und Fotografinnen, die die Grenzen ihrer jeweiligen Berufe hinterfragen und ihr Metier in ihren neuen und aktuellen Arbeiten, die in der Ausstellung gezeigt werden, auf die Probe stellen. Die Ausstellung umfasst auch mehrere historische Werke, etwa das 1970 erschienene Künstlerbuch Fall von Bas Jan Ader (1942 – auf See verschwunden 1975), das Fotografien von dessen Performances versammelt, die er als Stürze inszenierte – Instanzen, bei denen sich die Schwerkraft gegen die natürliche und gebaute Umwelt manifestiert. Das im Geiste Brechts geschriebene Buch von John Berger A Seventh Man (1975) brachte die systematische Ausbeutung von Gastarbeiter:innen aus dem Süden in Westeuropa, einschliesslich der Schweiz, ans Licht. Seine Kritik an der ökonomischen Ordnung, die hinter den grossen Infrastrukturprojekten jener Zeit stand, findet ihren Widerhall in zeitgenössischen Bewegungen, die sich gegen die Unterdrückung von Arbeiter:innen auf der ganzen Welt zur Wehr setzen. Darunter die Gulf Labor Artists Coalition mit ihrem Motto “Who’s Building the Guggenheim Abu Dhabi?” Bei den Bleistiftzeichnungen von Miriam Cahn, die sie 1979 für ein massstabsgetreues Modell des Parthenon (Athen, 5. Jh. v. Chr.) in Basel anfertigte, handelt es sich um Studien und Darstellungen der Metopen des Tempelfrieses. David Harding arbeitete von 1968 bis 1978 als Town Artist von Glenrothes, Schottland, und setzte seine Beschäftigung mit Kunst in urbanen Kontexten als Leiter der Abteilung für Environmental Art an der Glasgow School of Art fort, die 1985 auf seine Initiative hin gegründet wurde. Ahlam Shiblis Fotoserie Market (2005) stellt ein Porträt von migrantischen Strassenverkäufer:innen auf ihrem improvisierten Markt in Turin dar. Sein Fluss scheint demjenigen der starren Strukturen bestehender Strassen, Trottoirs und Gebäudemauern, die den “nicht-anerkannten” Stadtbewohner:innen so wenig Komfort bieten, entgegenzulaufen. Die Werke von Yannis Tsarouchis (1905-1989), etwa Stone Wall of Epidauros (1965) oder eine erste Studie (1968) für ein Gemälde, das einen über dem Hafen von Piräus schwebenden Geist der Langeweile mit Schmetterlingsflügeln zeigt, werden auf mit Baumwolle bespannten Holzrahmenwänden präsentiert. Diese sind wiederum ein Fragment einer nicht realisierten Ausstellungsstruktur, die Andreas Angelidakis für Tsarouchis' Retrospektive bei Wrightwood 659 in Chicago entworfen hat.
Darüber hinaus umfasst die Ausstellung Beiträge ehemaliger Studierender des Seminars "Life Without Buildings". So werden die Arbeiten von Vasco Medici, Elisa Pezza und Armand Zanota in der an die Galerie angrenzenden Alumni Lounge gezeigt.
Kuratiert von Adam Szymczyk, Verein by Association, mit einer kuratorischen Beteiligung von Salvatore Lacagnina
Co-Direktoren gta Ausstellungen: Fredi Fischli und Niels Olsen
Kuratorische Assistentin: Elena Bally, gta Ausstellungen
Produktion: Daniel Sommer, gta Ausstellungen
Kommunikationsdesign: Julia Born
Fotos: Nelly Rodriguez